Sammendrag
In Fontanes Berlin mit seinen Sichtachsen, Beobachterposten am Fenster(-spiegel) und der starken Fokussierung auf Innenräume gilt weitgehend noch die statische Seh-Ordnung, wie sie mit Renate Brosch für das 19. Jahrhundert als dominant anzusehen ist. Wo der urbane Raum als solcher in Fontanes Werken sichtbar wird, weist er noch immer stark zurück auf literarische Großstadtdarstellungen des 18. und 19. Jahrhunderts von Autoren wie E.T.A. Hoffmann, Poe, Balzac und Dickens, die die Wahrnehmungszumutungen und -reize der Großstadt in Genre-Bilder überführt und topisch gewordene urbane Wahrnehmungssituationen in Szene gesetzt haben. Doch zugleich befindet sich ‚Fontanopolis‘ an der Schwelle zur multimodalen und polyphonen Moderne, wie sie beispielsweise in Alfred Döblins Roman „Berlin Alexanderplatz“ (1929) narrativ inszeniert wird: Flanierende Figuren wie Olga und Waldemar in Fontanes „Stine“ (1890) erleben als dynamisierte Betrachter die multi-sensorische Eindrücklichkeit der modernen, sich wandelnden Großstadt und ihrer Deutungsoffenheiten. Ironisch perspektivierte, ‚merkwürdige‘ Raumordnungen und die für Fontane typische Dialogizität konfrontiert die Leserinnen und Leser mit der ‚Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen‘, mit dem Aufeinandertreffen von Mentalitäten und Stilen und setzt so die Prozesshaftigkeit von Moderne in Szene.
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